Ulrich Pfammatter Architekt und Maler

«storytelling»

Malerei ist für mich «storytelling» – Geschichten erzählen oder Szenerien darstellen, die dazu verleiten, Geschichten weiterzuerzählen oder zu erfinden. Ähnliches kann man in der Skulptur, Musik, Poesie, entdecken. Unschärfen, Andeutungen, Mehrdeutigkeiten und Kompositionen unterstützen die Phantasie beim Betrachten von Skizzen, Zeichnungen und Bildern.

«what’s the message?»

Als Maler stelle ich mir selbst diese Frage. Meine Aufgabe sehe ich als kreative Reaktion auf drei widersprüchliche Erscheinungen unserer Zeit: reale menschliche Beziehungen versus virtuelle Welt / regionale Kulturen versus Globalisierung / «slow down» versus Hektik.

Real – virtuell Die Menschen machen immer etwas Reales: sie arbeiten, sie diskutieren, sie sind Alpinisten oder Wüstenbewohner. Selbst in Grossstädten suchen sie «Mikro-Welten», Orte, wo man zusammensitzt und sich austauscht. Als Bergsteiger war ich immer in einer Seilschaft neben anderen Seilschaften. In Chicago traf man sich in der Gartenwirtschaft einer Pizzeria neben dem John Hancock Tower. Märkte sind überall die wichtigsten Treffpunkte.

Regional – global Rund um den Erdball, in den gleichen Breitengraden, sind gleiche, ähnliche oder Varianten derselben Kulturtechniken anzutreffen, das zeigen auch meine eigenen Beobachtungen. Beispiele: Lehmbautechnik, Agrartechniken, Kunsthandwerke, soziale Treffpunkte. Das dokumentiere ich in meinen Acrylbildern, Aquarellstudien oder Skizzen meist mit Wachs- oder Ölmalkreide.

Slow – hektisch In vielen alten, noch zu beobachtenden Kulturregionen und Klimazonen, aber auch gegenwärtig, kann ich einen achtsamen Umgang unter den Menschen in Gruppen und Sippen sowie in der Beziehung mit der Natur und Umwelt und auch im Umgang mit Materialressourcen feststellen. Dieses Selbstverständnis ist «nachhaltig», ohne dass diese Gesellschaften diesen Begriff verwenden oder kennen.

Architektur und Malerei

Was in der Malerei und in den bildenden Künsten Komponieren heisst, bedeutet in der Architektur Entwerfen. Hauptzüge des Motivs auf dem Malgrund (Format) entsprechen regulierenden Bezugslinien eines Gebäudes im planerischen Umfeld – die Frage des Lichts und des ausgewählten Sonnenstandes sind identisch (ausser man negiert sie zugunsten eines flächigen Farbenwelt wie bei den «Fauves» oder bei gewissen postmodernen Tendenzen in der Architektur). Die Farbigkeit in der Malerei findet ihre Entsprechung in der Räumlichkeit – Struktur und Form der Gestaltung korrespondieren mit Baustruktur und Volumetrie – der Pinselstrich (Duktus) mit Ausdruck in Materialität und Formbildung im Detail. Ähnliche Bezüge könnte man mit der Musik, der Komposition und dem Spiel herstellen. Die erste Skizze – the first sketch im architektonischen oder städtebaulichen Entwurfsprozess oder auch eine Skizze im Nachhinein, um den Entwurfsgedanken zu erklären, sind oft malerische Impressionen. Drei Beispiele: Louis Kahn war ein malender Architekt, auch der Ägypter Hassan Fathy, und Renzo Piano ein Meister des ausdrucksstarken Skizzierens.

Louis Kahn (1901 – 1974): An der Amalfiküste, Italien (1929); Siena, Piazza del Campo (o.Z.).


Hassan Fathy (1900 – 1989): Villas in Fayoum (1937), Ägypten; Haus für Abd el Razik, Oberägypten (1943).


Renzo Piano: aus dem Skizzenbuch zum Zentrum Paul Klee, Bern (1999).

Die Skizze – ein eigenständiges Medium

Balkrishna Doshi, indischer Architekt aus Ahmedabad: aus einem seiner Skizzenbücher.

Die Skizze

Meist zeichne ich mit einer weichen Wachs- oder Ölmalkreide und verwende Skizzenblöcke mit unterschiedlichen Formaten, je nach Möglichkeiten der Standorte: kleine Formate bei Gruppenreisen, wenn schnelles Erfassen nötig ist, mittlere Formate, wenn mehr Zeit zur Verfügung steht. Eine Skizze ist ein «flüchtiges», schnelles und spontanes Medium. Sie kann manchmal eine bildhafte Eigenständigkeit aufweisen, ohne den Anspruch, sie in einem Acryl, Aquarell oder Öl umzusetzen. In einem solchen Fall jedoch legt sie die Grundzüge der Komposition fest, wenn ich mit der Absicht einer malerischen Umsetzung im Atelier arbeite.